Page 21 - Galerie Schrade | 50 Jahre - seit 1971
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Gegenstandsfrei erscheint das in dieser Über- Cordula Güdemann (*1955), eine Schülerin
blicksschau gezeigte Ölgemälde des deutschen von Rudolf Schoofs und Dieter Krieg, hat sich
Malers Peter Casagrande (*1946), der auch ebenfalls als Professorin einen Namen gemacht.
in Genua arbeitet und neben Kuhn oder Gilles für In ihrer Malerei legt es die Badenerin schon einmal
das mediterrane Moment in der Galerie Schrade darauf an, den Betrachter im Unklaren zu lassen.
steht. Casagrandes Komposition ist gesättigt mit „Kleiner Traum“(2019) - mit Baum? Ihr Bild scheint
Stimmungswerten, die durchaus italienisch wirken Geäst zur Anschauung zu bringen, vielleicht einen
können, vergleichbar beispielsweiser denjenigen, Bachlauf. Jedoch mag sich auch ein im Profil
die Karl Blechen vor rund 200 Jahren in einem skizziertes Gesicht demjenigen offenbaren, der in
Gemälde wie „Mönche am Golf von Neapel“ das surreal hintergründige Ölgemälde eintaucht,
evoziert hat. Casagrandes großformatige das mit Verve und abstraktem Duktus reich
Malerei ist gestisch-informell-kontemplativ; dabei verzweigte Landschaftsassoziationen weckt.
empfiehlt er sich als hervorragender Kolorist, Für die Beschäftigung mit einem klar konturierten,
der in der Schwebe lässt, was nicht ausdrücklich besonders ausdrucksstarken Menschenbild
nach Vergegenständlichung verlangt. Malspuren steht die Malerin, Filmemacherin und Autorin
bleiben sichtbar, anders aber als bei Christopher Cornelia Schleime (*1953). Malerei beginnt
Lehmpfuhl oder Ralph Fleck. Casagrandes für die Berlinerin mit „Kratzen, Ritzen und
Farbverläufe sind nicht zu fassen, daraus erwächst Zeichen setzen“ und nicht zwingend absichtsvoll,
ihre Faszination: „Ich versuche, in meiner Malerei wiewohl ihre Porträtkunst, die in der Tradition
ein Raumerlebnis zu erzeugen.“ Die Betonung liegt des Berliner Realismus gesehen werden kann -
auf Erlebnis, nicht auf dem zentralperspektivisch wenn auch weniger dramatisch überspitzt -, zu
erfassten Raumkonstrukt. einem Hauptterrain künstlerisch hinterfragender
Klaus Fußmann (*1938), ausgezeichnet mit Auseinandersetzung wurde. Ihr Aquarell „Kopf
zahlreichen namhaften Kunstpreisen und geehrt VXIII“ (2020) zeigt eine nachdenkliche zum
mit Retrospektiven in führenden Museen, ist ein Betrachter hin blickende androgyne Person mit
Künstler, vor dem sich die Galerie verneigt als dem barretartiger Kopfbedeckung und Halskrause
ältesten Maler, den sie repräsentiert. Feinfühlig oder hochgeschlagenem Mantelkragen, dessen
und zugleich kraftvoll erfasste Landschaften und Form an einen Fächer denken lässt.
Naturerscheinungen stellen ein Bindeglied dar
zur Klassischen Moderne einerseits, belegen aber
auch die virtuose Visualisierung der lebendigen
Gegenwart. Fußmann legt die Papierarbeit „Garten
mit Zwerg“ mit Gouache- und Aquarellfarben
so an, dass man Blumenduft wahrzunehmen
meint. Die formale Ausgestaltung führt zu einem
buchstäblich erklecklichen Seherlebnis. Erst
im Auge des Betrachters finden die weißen,
fliederfarben schimmernden Tupfen am unteren
Bildrand, deren Valeurs der Zwergenbart aufgreift,
ihre Bestimmung als Blüten. Fußmann, der in der
kleinen Ostsee-Gemeinde Gelting und in Berlin
lebt, hatte an der Folkwang-Schule in Essen und
der Hochschule für Bildende Künste in Berlin
studiert, bevor er selbst inspirierender Lehrer für
Malerei wurde.
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