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Ralph Fleck (*1951), der überaus sensibel den   gebürtige Stuttgarter und HAP Grieshaber-Schüler
                  Pinsel führt und mit starker emotionaler Beteiligung   entwickelte als Maler und Grafiker eine der
                  malt, was nach ungestümer Kraftentladung     eigenständigsten Positionen in Deutschland. Sein
                  aussehen kann, gelingt es, die wirkliche Welt in   Werk wird in Verbindung gebracht mit der Neuen
                  Gemälden wie dem „Feldstück 15/XI“ (2019)    Figuration nach dem Zweiten Weltkrieg, wobei
                  noch einmal neu zu erfinden. Seine vielschichtig   Stöhrer Eigenheiten pflegt, die im Zusammenhang
                  aufgebauten Motive erarbeitet er aufwendig   des Surrealismus reflektiert gehören. Seine
                  mit dem Ergebnis bestrickender Räumlichkeit.   Auseinandersetzung mit dem Menschenbild,
                  Zum abstrakten “7/VIII Londonbild“ (2015):   mit  Kopfstudien  und  dem   Geisterhaftem
                  sozusagen einer urbanistischen Quintessenz   findet sich in „Judith und die G.“  (1966)
                  als Folge radikaler Reduktion, arrangiert er   albtraumhaft verstörend. G. steht für Geister.
                  Rechtecke, die zwischen geometrischer Form und   Nicht zuletzt mit ihren inneren Geistern
                  Gegenständlichkeit oszillieren. Im Betrachterauge   setzt  sich  Eleonore Frey-Hanken (1927-
                  fügen sich die Bausteine zum Ganzen im Zuge   1975) auseiander.  Die Figurenbildung der
                  eines  Abstraktionsprozesses, den  Fleck  seit   Oldenburgerin, die mehrere Jahre in Rom lebte
                  Jahrzehnten erfolgreich immer wieder aufs Neue   und arbeitete, mag  traditionell erscheinen; dabei
                  durchdekliniert.                             malt sich die Künstlerin einzelne Protagonisten
                                                               offenbar auch von der Seele und exponiert sie
                  „Wenn der  Goldfasan  singt“ (2019)  nennt der   in einem nicht immer zugänglichen Raum. Die
                  Italiener  Antonio Marra (*1959), der bei    Figur in „Verlassen (Frau Mahl)“ (1967) ist wie vor
                  Offenbach am Main einen zweiten Heimathafen   einem Theaterprospekt festgefroren dargestellt.
                  fand und ein Deutscher im Herzen wurde,      Existenzielle Zustände werden überzeichnet
                  gleichwohl aber nonchalant die Bella-Figura-  wie auch bei Stöhrer, der sie darüber hinaus
                  Philosophie pflegt, eines  seiner Vexierbilder, die   verschlüsselt mit Hilfe eines dickichtartigen,
                  aus zwei bis drei Blickrichtungen lesbar sind.   symbolisch abstrakten Bildvokabulars, während
                  Figuration und Abstraktion können sich dank   Frey-Hankens  Gestalten  nahbarer  bleiben,
                  der speziellen Technik, die sein Publikum immer   wenngleich das innere Auge mit arbeitet:   „Wenn
                  wieder aufs Neue entzückt, im selben Bild    ich einen Menschen malen will, dann muss ich die
                  ausdrücken in Abhängigkeit von der jeweiligen   Augen schließen, dann muss ich die Farbe finden,
                  Betrachterposition. Marra führt die Op Art weiter,   die zu ihm gehört“, so die Malerin, die früh ihre
                  und seine Gemeinde ist hingerissen vom süßen   Eltern verlor  und am Tiber  vielleicht sich selbst
                  Schwindelgefühl und den Überraschungseffekten,   suchte.
                  die er für sie bereit hält. Eine Streifenstruktur gibt
                  eine Landschaft frei, wenn man richtig hinsieht.
                  Marra, er verdreht uns gekonnt den Kopf.
                  Die oft literarisch inspirierte expressiv  explosive
                  Malerei von  Walter Stöhrer (1937–2000),
                  der zusammen mit den besten Vertretern des
                  Abstrakten Expressionismus rezipiert werden muss,
                  sich wie Lehmpfuhl zu  einem Arbeitsaufenthalt
                  in Schloss  Mochental aufgehalten hat und eine
                  ungeheure dramatische Wucht im Bildgeviert
                  buchstäblich los tritt - kreisend, grübelnd, suchend
                  - gehört zum Überwältigsten auf der Schnittstelle
                  von Abstraktion und Figuration hierzulande. Der








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