Page 6 - Galerie Ewald Schrade - Christoph Lehmpfuhl - Aquarelle
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Lehmpfuhl als Aquarellmaler

               „Wann malt er endlich wieder Öl?“ fragte kürzlich eine begeisterte Sammlerin, die
               von den neuerdings entstandenen Aquarellen gehört hatte. Dazu wäre zweierlei zu
               sagen. Lehmpfuhl hat nie aufgehört, Ölbilder zu malen, aber der Künstler ist auch dafür
               zuständig, neue Türen aufzustoßen und sich im ganz Anderen zu tummeln und zu
               bewähren. Ein Sammler möchte natürlich, dass es mit dem, was er liebt, weitergeht,
               und zwar genauso wie er es kennt. Der Künstler muss anders sein. Er muss sich häuten,
               muss neue Ansätze finden, um sich seinen Themen frisch zu nähern, um nicht in
               Routinen zu verfallen und seiner Arbeit neue Impulse zu geben.
                 Die Seite der Fähigkeit zur Erneuerung gehört zu den Stärken dieses Künstlers, ja, wir
               wollen sagen zu den Stärken eines jeden schöpferischen Künstlers: Nur nicht in Routine
               verfallen, nur nicht die gebahnten Wege weiter austreten um in Bequemlichkeit zu
               ernten, was man einst angebaut hatte. Das wird nämlich schal, wenn es bloß variierend
               vermehrt wird.
                 An Lehmpfuhls Schaffen ist schon sehr bald aufgefallen, wie vertraut er mit dem
               Malmaterial umgeht. Das gilt für die Ölmalerei ebenso wie für die Wasserfarbenmalerei.
               Insofern gilt für ihn der bekannte Ausspruch Eduard Bargheers nicht, der in einem
               Gespräch  mit  Wolfgang  Henze  am  Ende  seines  Lebens  1975  sagte: „Ich habe  das
               Aquarell immer geduzt, und zum Öl habe ich immer respektvoll ‚Sie‘ gesagt.“
                 Die große Retrospektive seiner  Werke, die 2021 in der Reithalle des Gottorfer
               Landesmuseums gezeigt wurde, hob als früheste Aquarelle die Reiseskizzen hervor,
               die 2002 in China und 2003/04 in Indien entstanden sind. Carsten Fleischhauer hat
               sie in seinem Katalogbeitrag ausführlich erörtert und mit Äußerungen des Künstlers
               zusammengebracht.
                 Oft ist darüber geschrieben worden, dass Lehmpfuhl sich von der Arbeit mit dem
               Pinsel gelöst hat und am sinnlichen Umgang mit der Ölfarbe, die er direkt mit den
               Händen aufträgt, Gefallen und darin eine stupende Souveränität gefunden hat. Die
               auf diese Weise erzeugten Gemälde behandeln auf eine unerhört flüssige Weise das
               Thema des Lichtes in der Landschaft und lassen erstaunen, dass es dem Künstler mit
               den Mitteln schwerer, pastos aufgetragener Farbe gelingt, ein Wesen der Leichtigkeit
               und der Vertrautheit herzustellen. Gewiss sagt Lehmpfuhl, mit Bargheer zu sprechen,
               auch zur Malerei mit Öl „Du“.
                 Aber er hat nie den Pinsel vergessen. Das Werk seiner Aquarelle steht dafür. Es ist
               über die Zeit kontinuierlich und in Schaffensschüben herangewachsen. Lehmpfuhl
               aquarelliert nicht aus praktischen Gründen wie andere Künstler, welche die Wasserfarbe
               für  Reiseskizzen  nutzen,  weil  Pinsel  und  Farben  leicht  mitgeführt  werden  können.
               Dafür hat er schon zu oft seine Farbeimer und Leinwände in entlegene Weltgegenden
               geschleppt, um dann vor Ort Öl zu malen. Nein, Lehmpfuhl  schafft sich mit seinen
               Aquarellen eine eigene, die Ölmalerei ergänzende Sphäre.
                 Er fordert sich heraus, die vor ihm liegende Welt seiner Motive mit ganz anderen
               Mitteln zu packen. Das Relief des pastosen Farbauftrags, das gelegentlich schon
               als  Nähe  zur  Bildhauerei  behauptet  worden  ist,  steht  dem  Aquarellisten  nicht  zur
               Verfügung. Vor allem hat der Maler mit Wasserfarben zu gewärtigen, dass er keine
               Möglichkeit zur Korrektur hat. Übermalungen, die das zuvor geschaffene überdecken
               und den Künstler neu beginnen lassen, sind in dieser Technik nicht möglich. Alles
               kommt  auf  die  glückliche  Konstellation  von  Beobachtung  und  der  malerischen
               Umsetzung ad hoc an.
                 Die 2021 und 2022 gemalten Aquarelle sehe ich als zusammengehörig an und
               bespreche sie daher gemeinsam nach Motivgruppen.
                 Wie sehr Lehmpfuhl mit dieser vermeintlich „leichten“  Technik dichte Bildkom­
               positionen schafft, veranschaulicht das Blatt Beleuchtete Gläser, 2021.Wie mit einem
          4    Zoom hat sich das Auge des Künstlers einer Vitrine mit darin aufgestellten Weingläsern
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