Page 180 - 40 Jahre Galerie Ewald Schrade - Von der Freude mit der Kunst zu leben
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Walter Stöhrer
Anfang des Jahres 1976 besuchte ich erstmals Walter
Stöhrer in dessen damaligem Atelier in der Berliner
Huttenstraße zur Vorbereitung einer Ausstellung im Mai
in der Schloßhofgalerie Kißlegg. Die Dimensionen dieses
Großstadtateliers auf einer ganzen Fabriketage waren
für mich ein unvergessliches Erlebnis. Der ganze Raum
voller Farben und voller Bilder. Nur eine kleine Ecke war
farbfrei. Dort standen zwei saubere Stühle. Auf dem
einen saß ein Frankfurter Sammler in feinem Zwirn, der
sich bei Walter Stöhrer ein Bild in einem bestimmten
Format für sein Treppenhaus bestellen wollte. Obwohl
es Stöhrer finanziell damals nicht so gut ging, erklärte er
dem Sammler, dass er doch keine Bilder auf Bestellung Walter Stöhrer bei der Eröffnung in Kißlegg 1976
malen würde und in einem vorgegebenen Format schon
gar nicht. Auf dem zweiten Stuhl nahm ich dann Platz.
Nach einer halben Stunde erster Eindrücke im Atelier
gingen wir gemeinsam mit dem Frankfurter Gast in das 1937 in Stuttgart geboren
Kult-Lokal „Zwiebelfisch“. Dort ist es spät beziehungs-
weise früh geworden. Am nächsten Nachmittag ging 1955 Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe
ich wieder ins Atelier, wo wir sehr konzentriert unser 1957–1959 Wechsel in die Klasse HAP Grieshaber
Vorhaben besprachen. Es wurde ein Projekt mit sechs 1959 verlässt Stöhrer die Akademie und geht nach Berlin
großformatigen Leinwänden und einer Reihe Gouachen. 1962 Deutscher Kunstpreis der Jugend, Stuttgart
Die Ausstellung wurde begleitet von einem großen Plakat 1964 Kritikerpreis der Stadt Berlin
und einem zwölfseitigen DIN-A-3-Faltkatalog, „fold-in“ 1971 Will-Grohmann-Preis der Akademie der Künste, Berlin
mit Original Offsetlithografien, in einer Auflage von 1976 Berliner Kunstpreis der Akademie der Künste, Berlin
300 Exemplaren und 50 Vorzugsexemplaren mit einer 1977 Villa-Romana-Preis
Kaltnadelradierung. Die Ausstellung wurde von dem 1978 Kunstpreis der Kreissparkasse, Esslingen
oberschwäbischen Kunstpapst Bruno Effinger eröffnet. 1980 Kunstpreis der Böttcherstraße, Bremen
Diese Ausstellung war der Auftakt zu vielen gemeinsamen 1981–1982 Gastprofessur an der Hochschule der
Projekten. Walter Stöhrer war fast regelmäßiger Gast in Künste, Berlin
Kißlegg. Den ersten groß angelegten Malprozess mit seit 1984 Mitglied der Akademie der Künste, Berlin
Walter Stöhrer organisierte ich in einer eigens dazu seit 1986 Professur an der Hochschule der Künste, Berlin
angemieteten Fabrikhalle 1983 in Kißlegg. Der 1995 Molfenter-Preis, Stuttgart
Malprozess „Hommage à Frank O’Hara“ wurde mit 1999 Jerg Ratgeb-Preis, Reutlingen
einer umfangreichen Broschüre und einem SWR-Film 2000 Dr.-Friedrich-Schultz-Preis, Schleswig
dokumentiert. Die Arbeiten bezogen sich auf Texte
von O’Hara wie zum Beispiel „Nun ist aber die 2000 in Scholderup verstorben
Vergangenheit etwas anderes. Die Vergangenheit
ist wie eine Zukunft, die durchscheint“.
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